Gesten der Philosophie von 1920 bis 1970

Das Projekt erarbeitet eine Geschichte bestimmter Methoden der europäischen und US-amerikanischen Philosophie zwischen 1920 und 1970. Wir beabsichtigen den inzwischen von fast allen westlichen Philosoph:innen für obsolet erklärten Kontrast zwischen analytischer und kontinentaler Philosophie durch Differenzierungen zu ersetzen, die sich an der Unterscheidung des frühen Wittgensteins zwischen Sagen und Zeigen orientieren. Wir nennen die von uns ins Auge gefassten philosophischen Methoden die der gestischen oder zeigenden Philosophie, die wir von einer behauptenden abgrenzen. Zwar reagieren Strömungen der gestischen Philosophie mit unterschiedlichen Mitteln auf einen öffentlich-praktischen Relevanzverlust der akademisch etablierten behauptenden Philosophie. Gemeinsam sind ihnen jedoch Verfahren des Zeigens, die neben oder an die Stelle von Behauptungen treten. Es sind vor allem vier Verfahren, die wir in der gestischen Philosophie in diesem Zusammenhang ausfindig gemacht haben: (i) das Erzählen von Mikrogeschichten, um auf den alltäglichen Sprachgebrauch zu zeigen; (ii) die Konstruktion von übertreibenden philosophiehistorischen Karikaturen, um auf die Abhängigkeit behauptender philosophischer Theoriebildungen von sozialen Strukturen zu zeigen; (iii) negativistische Theoriebildung als kritische Geste, um aus dem Bannkreis eines gesellschaftlichen Lebens ohne Spontaneität heraus zu zeigen; (iv) Kartographie oder das Arrangieren von Bildern, um auf die Sinnlosigkeit bestimmter philosophischer Problembildungen zu zeigen; (v) das Zeigen auf das eigene Leben in der autobiografischen Geste, um eine philosophische Behauptung in Frage zu stellen. Wir unterteilen die Zeit der westlichen Philosophie zwischen 1920 und 1970 in drei Epochen: In der ersten (1920-1934) wird die Differenz zwischen Sagen und Zeigen philosophisch etabliert; in der zweiten (1935-1947) manifestiert sich die gestische Philosophie vor allem als Kritik an der kulturellen Moderne; in der dritten schliesslich (1949-1970) wird das Gewöhnliche als Halt vor vermeintlich desaströsen Folgen der modernen Kultur entdeckt und die negativistische Theorie als kritische Geste entwickelt. Das Projekt soll einen Beitrag zu einer Methodengeschichte der neueren Philosophie liefern.

Dieses Projekt wird durch Schweizerischen Nationalfonds gefördert.

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