Individualität als Individuation.
Gilbert Simondons Prozessontologie

Das Projekt setzt sich mit dem problematischen Verhältnis zwischen Individualität und Individuationsprozessen auseinander: Was ist ein technisch hergestelltes Individuum wie beispielsweise eine Maschine und welche technischen Produktionsverhältnisse hat sie durchlaufen? Abgesehen davon ein biologisches Individuum zu sein, ist der Mensch nicht zugleich auch ein soziales und psychisches Einzelwesen? Wie entstehen die biologischen oder psychischen Individuen und wie verhalten sie sich zu einander, bspw. wenn aus ihnen Kollektive entstehen? Wenn es möglich ist, verschiedene Formen von Individualität in Klassifizierungen einzuteilen, inwiefern differenziert sich dann ein physikalisches Individuum von einem biologischen, ein menschliches von einem pflanzlichen Individuum, usw.?

Gilbert Simondon (1924 – 1989) bietet mit seinem thematisch umfassenden Hauptwerk, L’individuation à la lumière des notions de forme et d’information, eine Möglichkeit diesen Fragen fächerübergreifend nachzugehen. Dabei vertritt er eine simple These: Um die gesamte Realität eines Individuums beschreiben zu können, muss auch dessen Individuationsprozess berücksichtigt werden, also wie dieses bestimmte Individuum zu einem Individuum wurde.

Hierzu stützt sich Simondon auf zwei grundlegende methodische Pfeiler: Zum einen analysiert er minutiös Fallbeispiele der empirischen Wissenschaften wie beispielsweise Entstehungsprozesse von Maschinen, Kristallen oder Kolonien von Hohltieren. Zum anderen versucht er mit Hilfe seiner philosophischen Konzepte auf jegliche Art von Essentialismus und Substantialismus zu verzichten, die Individualität auf einen festen, unteilbaren und statischen Kern reduzieren. Somit sind Individuationsprozessen keine kategorialen Grenzen mehr gesetzt, die oft zwischen physikalischen und biologischen oder menschlichen und tierischen Klassifizierungen gezogen werden, sondern nur noch graduelle Unterscheidungen möglich. Simondons prozessphilosophisches Denken äußert sich in einer einheitlichen Naturphilosophie und distanziert sich von wertenden Hierarchisierungen der Wissenschaften und den Individuen, die sie beschreiben.

In diesem Projekt sollen, sowohl Simondons methodischer Rückgriff auf die Beschreibung naturwissenschaftlicher Phänomene, seine philosophischen Konzepte, wie auch seine einheitliche Naturphilosophie offen gelegt werden, um das problematische Verhältnis zwischen Individualität und Individuationsprozess systematisch neu behandeln zu können.

Mitwirkende:
Olivier Del Fabbro

Dieses Projekt wird vom Luxemburigschen Nationalfonds gefördert.

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