Schockeffekte: Zur Genese traumatischer Wahrnehmung

Dieses Forschungsprojekt setzt sich mit dem Traumabegriff aus historischer sowie epistemologischer Perspektive auseinander. Für Entstehung und Entwicklung des Traumabegriffs war die Metapher des Schocks von zentraler Bedeutung. Sie steht deshalb im Fokus der Arbeit. Die Transformationen psychologisch-psychiatrischen Wissens über das Psychotrauma werden anhand der Geschichte medizinischer, psychologischer sowie philosophischer Schockverständnisse rekonstruiert. Dabei werden insbesondere drei Zusammenhänge beleuchtet:


Erstens wird die Herausbildung der medizinischen Vorstellung eines pathogenen Schocks historisch nachgezeichnet. Sie ist einerseits die Folge einer Ausdifferenzierung des Schockbegriffs. Andererseits beruht sie auf einem neuen Ereignistyp: dem Unfall des Industriezeitalters. Gezeigt wird, dass zwei Momente das psychologisch-psychiatrische Verständnis des Traumakonzepts entschieden geprägt haben und weiterhin prägen: Zum einen die Forschungs- und Behandlungspraktiken, durch die traumatische Erfahrungen Gegenstand der Wissenschaften vom Menschen wurden, sowie zum anderen Vorstellungen individueller wie gesellschaftlicher “Normalität”.

Zweitens lassen sich anhand der in dieser Arbeit aufgezeigten Zirkulationsbewegung der Schockmetapher die oftmals widersprüchlichen Verwendungsweisen des Traumabegriffs rekonstruieren: Einerseits fand dieser Eingang in eine “normalismuskritisch” motivierte Erkenntniskritik. Andererseits tradierten szientistisch ausgerichtete Forschungsrichtungen wie die Verhaltens- und Stressforschung ein Trauma-Verständnis, das konzeptuell auf die traumatische Wirkung einer u ?berwältigenden Präsenz beziehungsweise eines übermässig starken Reizes fokussiert. Diese widersprüchlichen Verwendungen prägen bis heute den Traumabegriff: Er kann eine “Belastungsgrenze” anzeigen und zugleich jene Ereignisse markieren, die wir nicht gewillt sind, als “normal” hinzunehmen.

Drittens argumentiert die Arbeit, dass der kritischen wie der apologetischen Aneignung des Traumakonzepts essentialistische Auffassungen zugrunde liegen. In einem Schlussteil wird deshalb eine anti-essentialistische Sichtweise auf psychotherapeutische Prozesse zur Diskussion gestellt.

Mitwirkende:
Prof. Dr. Michael Hampe
Dr. Ulrich Koch

Publikationen zum Thema:

  • Ulrich Koch: Schockeffekte. Eine historische Epistemologie des Traumas. Zürich 2014, 304 S.
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