Erkenntnistheorie der Physik

Teilprojekt a: Entwicklung und Einheit der Physik

(Erkenntnistheoretische Motive und ihr historischer Wandel)

Dieses Buchprojekt widmet sich der Frage, wie Physik erkenntnistheoretisch "funktioniert": Was gilt eigentlich als gute Erklärung in der Physik, wie hängen verschiedene Erklärungen (Modelle, Theorien) zusammen, und wie hat sich das gegebenenfalls historisch gewandelt?

Der erste – historische – Teil des Buches behandelt wichtige Stationen in der Entwicklung der Physik vor dem Hintergrund von drei Epochenschwerpunkten. Im Kapitel zur Antike geht es u.a. um den Ursprung des Begriffs "Physik" sowie um erste Ansätze zu einem "Elementarismus" der materiellen Wirklichkeit. Das Kapitel zur Frühen Neuzeit behandelt vor allem Aspekte der fortschreitenden Mathematisierung, und das Kapitel zum 19./20. Jahrhundert widmet sich insbesondere dem Aufkommen der Feldtheorie und Quantenphysik und einem daraus resultierenden Verlust der Anschaulichkeit der Physik.

Der zweite – systematische – Teil reflektiert die Veränderungen in der Rolle und Relevanz, die Experimenten und Vorhersagen in der Physik zukommt bzw. zugekommen ist. Ausführlich behandelt wird der Wandel, der in der physikalischen Begriffs- und Theoriebildung seit der Antike stattgefunden hat. Das schliesst Fragen nach dem Kausalitäts- und Objektivitätsbegriff ein wie auch nach den Übergängen (Reduktionen) von Theorien und nach der Einheit der Physik. Weiterhin werden allgemeine Erkenntnisstrategien diskutiert, die sich im Wesentlichen konstant durch die Geschichte der Physik ziehen. Dies sind zum einen die Suche nach letzten Materiebausteinen (mereologische Strategie), die Suche nach "Verursachern" in Form v.a. von Kräften (explanatorische Strategie), sowie die Suche nach einem einheitlichen, in der Regel mathematischen, Darstellungszusammenhang (holistische Strategie). Eine besondere Stellung kommt hierbei Symmetrieprinzipien zu, die Verbindungen und Übergänge zwischen diesen Strategien ermöglichen.

Im Unterschied zu anderen Einführungen stehen also nicht so sehr innerphilosophische Fragestellungen im Vordergrund wie etwa nach dem ontologischen Status der Raumzeit, nach Gesetzesrealismus versus –nominalismus o.ä. Auch geht es nicht um die populäre Darstellung moderner physikalischer Theorien. Stattdessen wird ein breiter Einblick in unterschiedliche Bereiche der Physik gegeben, bei dem, basierend auf den Kontinuitäten und Entwicklungen der allgemeinen Theoriebildung und Erkenntnisstrategien, die methodische Einheit der Physik im Mittelpunkt steht.

Mitwirkende:

PD Dr. Dr. Norman Sieroka

Publikationen zum Thema:

N. Sieroka (2014): externe SeitePhilosophie der Physik (series: C.H. Beck Wissen). Beck Verlag, München.
    Rezensionen in: Spektrum der Wissenschaft, 2/2015, pp. 88-89 – externe Seiteonline

    Sterne und Weltraum, 6/2015, pp. 96-97                 

    Physik Journal 14 (2), 2015, p. 64

    VSMP Bulletin 127, 2015, p. 5

    Bunsenmagazin 17 (6), 2015, p. 242

    Physik in unserer Zeit 46 (6), 2015, p. III

Teilprojekt b: Erkenntnistheoretische Probleme der Teilchenphysik

In diesem Projekt geht es um eine kritische Auseinandersetzung mit den verschiedenen und zugleich jeweils erfolgreichen theoretischen Zugängen in der gegenwärtigen Quantenfeldtheorie. Der momentane Zustand der Physik wird vor dem philosophischen Hintergrund einer Symbolphilosophie diskutiert, die ansatzweise auf Arbeiten von Hermann von Helmholtz und Heinrich Hertz zurückgeht. Physikhistorisch scheint es kein Zufall zu sein, dass ein solcher Zugang zuerst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auftritt. Denn die Neuerungen, die zu dieser Zeit im Zusammenhang der Maxwellschen Theorie des Elektromagnetismus auftreten, entziehen sich teilweise einer mechanistischen Interpretation. Und spätestens seit der zweiten Hälfte des 20.Jahrhunderts hat sich diese erkenntnistheoretische Problemlage mit der Auslegung der Quantenfeldtheorie weiter verschärft.

Von philosophischer Seite wurde ein symbolphilosophischer Zugang zu Feldtheorie und Quantenphysik erstmals von Ernst Cassirer systematisch dargestellt und interpretiert. Seine Arbeiten sind für dieses Projekt weiterhin relevant und erlauben den Anschluss (wenn auch mit anderer, nicht transzendentalphilosophischer Gewichtung) an gegenwärtige Debatten innerhalb der analytischen Wissenschaftsphilosophie zum Thema "Strukturrealismus".

Ein weiteres Anliegen dieses Projekts ist es, dem interessierten Nichtfachmann ein Einblick in die Konzepte der Teilchenphysik und ihren Anschluss an Experimente gegeben. Aus aktuellem Anlass beinhaltet das eine kritische und populärwissenschaftliche Auseinandersetzung mit den neuen Grossexperimenten am CERN. In diesen Darstellungen geht es insbesondere um die Begrenztheit dessen, was erforscht wird und inwiefern in den Medien überzogene Erwartungen und Befürchtungen geschürt wurden.

Mitwirkende:

PD Dr. Dr. Norman Sieroka
externe SeiteProf. em. Dr. Hans Günter Dosch (Theoretische Physik, Universität Heidelberg)
externe SeiteProf. em. Dr. Volkhard F. Müller (Theoretische Physik, Universität Kaiserslautern)

Publikationen zum Thema:

  • H.G. Dosch, V.F. Müller, N. Sieroka (2009): Symbolic Constructions in Quantum Field Theory. In: Constituting Objectivity: Transcendental Approaches of Modern Physics (The Western Ontario Series in Philosophy of Science), ed. by M. Bitbol, P. Kerzsberg and J. Petitot. Springer, Dordrecht, pp. 403-413.
  • N. Sieroka (2008): Tückenreiche Analogien (Interview). connect (Alumni Magazin der ETH), Nr.15, November 2008.
  • N. Sieroka (2008): Der Urknall regt die Fantasie an: Die Angst vor dem Experiment des CERN. Tagesanzeiger, 23.09.2008.
  • N. Sieroka (2008): Das CERN auf den Spuren Gottes? Horizonte, 14.09.2008.
  • N. Sieroka (2008): Die Grenzen des Wissens: Religion und Philosophie werden die neusten Forschungen überleben. bazkultur (Kulturmagazin der Basler Zeitung), 30.07.2008.
  • N. Sieroka (2007): Hertzian Pictures of Quantum Field Theory. Philosophia Naturalis 44 (1), pp. 88-113.
  • H.G. Dosch, V.F. Müller, N. Sieroka (2005): externe SeiteQuantum Field Theory in a Semiotic Perspective. Springer Verlag, Heidelberg.
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